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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 23.11.2009


VocaMe - Kassia. Byzantinische Hymnen der frühesten Komponistin des Abendlandes
Claire Horst

Dass in allen Künsten zu allen Zeiten auch Frauen vertreten waren, geht immer noch aufgrund der Dominanz ihrer männlichen Konkurrenten unter. So sind nur wenige Komponistinnen bekannt, Hildegard...




... von Bingen wird meist als früheste genannt.

Zum ersten Mal wurden nun die Kompositionen einer byzantinischen Vorgängerin der berühmten Nonne vertont. Die 810 in eine adelige Familie geborene Kassia war ebenfalls Äbtissin und verfasste in ihrem Kloster auf dem Xerolophos, dem siebten Hügel am westlichen Rand Konstantinopels, geistliche und weltliche Schriften. Zudem komponierte sie etwa fünfzig Hymnen, die teilweise bis heute in der griechisch-orthodoxen Liturgie im Gebrauch sind.

Überlieferungen über Kassia lassen sie als selbstbewusste und hochgebildete Frau erscheinen. So soll sie an der Brautschau des Kaisers Theophilos teilgenommen haben, der ihr mit den Worten "Durch die Frau kam das Übel in die Welt" einen goldenen Apfel reichte, um sie zu seiner Braut zu wählen. Kassia soll spontan erwidert haben: "Aber durch die Frau fingen auch bessere Dinge an!" – Theophilos heiratete dann statt ihrer Theodora. Kassia wurde Äbtissin statt Kaiserin des oströmischen Reiches. Bekannt ist außerdem, dass sie, die eine umfassendere Bildung erhalten hatte als die meisten Frauen ihrer Zeit, mit dem Kirchenvater St. Theodor Studites korrespondierte und sich am Streit um die Ikonenverehrung beteiligte. So soll sie einige Mönche gegen die Ikonoklasten verteidigt haben und dafür mit Peitschenhieben bestraft worden sein.

Den Anstoß zur Vertonung der Werke Kassias gab nun der Musiker Michael Popp, der ein Ensemble renommierter Interpretinnen mittelalterlicher Musik zusammenstellte und dirigierte. Mit Sigrid Hausen, Natalia Lincoln, Sabine Lutzenberger, Sarah M. Newman, Elisabeth Pawelke und Gerlinde Sämann sind hochkarätige Sängerinnen vertreten, Popp begleitet sie auf mehreren alten Instrumenten. Wunderschöne Musik, die von den großartigen Stimmen der Sängerinnen kongenial umgesetzt wird, ist auf dem Album zu hören. Das informative Beiheft stellt klar, dass es sich bei Kassia keineswegs um die erste oder gar einzige Komponistin ihrer Zeit handelte – sie ist lediglich die einzige, deren Werke mit Namensbezeichnung überliefert sind.

Das Album enthält auch die Texte der Hymnen auf griechisch und in deutscher und englischer Übersetzung. So wird deutlich, dass Kassia – anders als ihre Zeitgenossen – viele ihrer Lieder "gefallenen" Frauen widmete, für die sie eintrat. Kassia, deren Werke häufig kopiert oder sogar von Konkurrenten als eigene ausgegeben wurden, starb 867 und wurde im 20. Jahrhundert heilig gesprochen.

AVIVA-Tipp: Das Album ist etwas Besonderes und nicht nur für LiebhaberInnen alter Musik zu empfehlen. Wer sich für verborgene Geschichte(n) interessiert oder auf der Suche nach außergewöhnlicher Musik ist, wird hier fündig.

Das Ensemble im Netz: www.vocame.de

VocaMe – Kassia. Byzantinische Hymnen der frühesten Komponistin des Abendlandes
Christophorus Records
Erschienen am 4. September 2009


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Beitrag vom 23.11.2009

Claire Horst